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Ars Vivendi Treppenhausgalerie

Video
Moderation: Frau Océane Gonnet M.A., Kunsthistorikerin
  

Eröffnungsrede
von Océane Gonnet M.A.

Kunsthistorikerin Gründerin der Plattform art in the museum
Kunstgeschichte – Kunstvermittlung – Museumsforschung – Ausstellung
Alle Infos unter artinthemuseum.com


Valérie Stohrer, „Abstract Painting“
Ars Vivendi Treppenhausgalerie
25. Juli bis 14. August 2021

Liebe Kunstfreunde,

herzlich Willkommen zu der Ausstellung „Abstract Painting“ der Düsseldorfer Künstlerin Valérie Stohrer in der Treppenhausgalerie Ars Vivendi. Meine Begegnung mit ihr und ihrem Kosmos liegt erst ein paar Wochen zurück; doch ich bin davon überzeugt dass ich heute mit Ihnen passende Worte über diese Bilder teilen kann.

Die Kunst ist der rote Faden im Leben der Künstlerin. Vom Sehen zum Kreieren, lässt sie den inneren Drang durch unterschiedliche Mittel zum Ausdruck bringen. Das Ergebnis ihrer schöpferischen Kraft sind abstrakte Malereien; nur was bedeutet hier abstrakt?

„The pictures were painted directly through me, without any preliminary drawings and with great force.“

Dieses Zitat der Mutter der Abstraktion Hilma af Klint spricht für die Kunst die wir heute sehen: frei, doch nicht unkontrolliert. Das ist das Dilemma der Abstraktion: das Gleichgewicht zwischen Spontanem und Kalkuliertem finden, die Energie verfolgen ohne den Abstand zu verlieren, der zur Erkenntnis des fertigen Kunstwerkes führt. Denn das Malen ist für Valérie Stohrer zugleich experimentell und überlegt, impulsiv und durchdacht, intuitiv, poetisch. Die Werke bleiben frei von jeglicher Bezeichnung und sind daher folgerichtig unbetitelt.

Sehen Sie selber, schauen Sie genauer hin: Die bunte Palette spielt harmonisch mit den Kontrasten. Im letzten Bild dieser Ausstellung – wo circa 40 Werke aus den letzten fünf Jahren gezeigt werden – öffnen gelb grüne Ritze einen blau rosa Raum und befreien die untere Schicht der Leinwand: sichtbar gewordene Präsenz, zart, sensibel, doch zwangsläufig zur Schau gestellt. Vordergrund und Hintergrund zugleich. Die Empfindsamkeit und Emotionalität der Leinwand widerspiegelt die Persönlichkeit der Autorin.

Die Materialität der Oberfläche gibt uns durch das breite Spektrum der Maltechniken komplexe Eindrücke, mit denen wir zu Naturvisionen zurückkehren. Porös wie der Granit, sanft wie die Meeresoberfläche. Spachtel und Hände drücken in die Masse hinein, Relief entsteht durch die offene Landschaft. Die Dynamik des Pinsels verrät die Vergänglichkeit jedes Lebewesen. Die angemalten Ränder verlängern die räumliche Präsenz der Malerei. Der innere Garten der Künstlerin lässt uns hinein, bringt Ruhe und Harmonie.

Natur spielt eine zentrale Rolle im Werk der Künstlerin. Die Fragilität des Klatschmohns, die tanzende Blumenwiese im Wind, der brummende Wasserfall oder die rauschende Welle im Ozean: die Motive sind in der Abstraktion verschwunden, doch ihre Eindrücke bleiben wie nostalgische Erinnerungen. Umso wichtiger ist es, die Werke wie diese goldene Landschaft im Original zu sehen. Das senkrecht aufgeteilte Bild verbildlicht gleichzeitig den sakralisierten Wald und die Baumrinde ihrer Einwohner.

Das Spiel mit dem Bildträger bringt eine andere Wahrnehmungsebene in der Arbeit: wir bewegen uns vor den kleinen Bildern an den Fensterbänken; die dreidimensionale Zick-Zack Oberfläche schenkt uns eine multiplizierte Vision der Tuschezeichnung. Trotz der rhythmischen, vertikalen Unterbrechung des rasch verlaufenden Pinselstriches bieten sich neue Bildkonstellationen aus anderen Blickwinkeln an. Überraschend und außergewöhnlich.

In einer anderen Serie weiter oben verrinnt die Farbe, meist Schwarz, auf den helleren Hintergrund. Hier und da wird sie plötzlich gespritzt, geschüttet, ein Strich wird diskret ergänzt. Wenn man länger hinschaut, kommen figurative Elemente zur Erscheinung, Insekten oder Tiere, die mich an Giacomettis surreale Plastiken der 30er Jahren erinnern. Nicht anders spielt der Ausdruck einer inneren, unterbewussten Welt eine wichtige Rolle bei der Gegenwartskünstlerin, die in ihrer Kunst ihre Seele frei sprechen lässt.


Sie finden im Eingangsbereich das Triptychon Beethoven, das letztes Jahr von Valérie Stohrer für die Ausstellung „Beethoven und die Frage nach den Frauen“ im Bonner Frauenmuseum kreiert wurde. Die Resonanz der Töne zwischen Schwarz und Weiß ist das Echo der Musik oder desjenigen, der sie komponiert hat. Die Genialität von Beethoven wird in der ersten Tafel als goldener Himmel ausgedrückt; in der mittleren spürt man seine Tristesse, inspirierend und einsperrend zugleich. Schließlich: die gezwungene Ruhe seiner still gewordenen Welt, das Konkretisieren eines Meisterwerkes. Das Triptychon ist der beglückte Versuch zu verbildlichen, was Kunst mit Menschen macht, und vice versa.

Ich zitiere die Künstlerin: „Insgesamt entsteht ein Werk für die Ewigkeit. Radikal. Kompromisslos. Geheimnisumwoben. Revolutionär.“

Valérie Stohrer positioniert sich selber in einer universellen, zeitlosen Tradition des Kunstschaffens als Energieleiter, von ihr aus, die Quelle, in die Welt hinein, zu uns. Sie mag im Malprozess verschwinden, zwischen dem Raum vor dem Bild und in dem Bild wandern, sich lösen von dem rationalen Diktat ihrer Hand. Doch am Ende entscheidet sie immer, was auf der Leinwand geschehen soll.

An der Stelle der Aufruf zu einem Sich innerlich erobern lassen von Bildern, die uns bewohnen wollen, oder die wir bewohnen möchten.

Ich möchte mich ganz herzlich bei der Künstlerin für das geschenkte Vertrauen bedanken.

Ein kleiner Hinweis für diejenigen, die noch mehr sehen möchte: Langeweile im Paradies ist eine Installation der Düsseldorfer Künstlerin, die bis Oktober im Frauenmuseum zu sehen ist.
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